In die Türkei und wieder zurück: einmal rundherum!

Hallo Herr Ober…wo bitte geht’s hier nach Europa?

Zweieinhalbter Versuch einer südöstlichen Annäherung

Zweieinhalb kleine Versuche zuvor wird der Bogen bereits gesponnen: wir haben einmal den sogenannten Balkan in zwei Etappen erkundet („Jenseits von TomTom“), und zuletzt sind wir im Februar mit unserem Landcruiser „Knut“ in einer Woche nach Izmir gefahren („Türkei 2012“).
Während der gute Knut in treuen Händen bleiben durfte – für den „Sonax-Mann“, also den türkischen Qualitäts-Autowäscher in Manisa , gab er sogar die Primaballerina eines Autowasch-Werbefilmes – wurde zu Hause fleißig gearbeitet. Der ursprüngliche Plan war ja: einfliegen, Knut rausfahren. Dafür habe ich schon im Februar alles so gepackt, dass man mit Handgepäck reisen kann, also alle Brotmesser, Leatherman, Kosmetika etc. schon im Auto gelassen. Aber außer unserem großen Sohn hatte keiner Lust zum Fliegen. Der flog voran, um das versprochene Praktikum in der Stahlbaufirma zu absolvieren, und der jüngere und wir Eltern kamen nach, mit Amy, dem bewährten 80er Cruiser, da der Sahara-Sand auch nach dem Sonax-Mann ruft und wir das Road Movie dem Billigflug vorziehen.
Der Weg ist unspektakulär schnell. Am Abend folgen wir einem langgehegten Wunsch, denn ich wollte schon immer an den Plattensee, den Balaton sehen. Dort übernachten wir am südwestlichen Ufer in einem netten Hotel, Pool, Badesteg, Büffet, alles da – aber heiß! Wir schwitzen mit unserem Schiebedach und sehnen uns nach dem klimatisierten Knut…

Balaton

Die Donau... diesmal ohne Eis!
Die Donau... diesmal ohne Eis!
Donaufähre in Ungarn
Donaufähre in Ungarn
Balaton
Balaton
Hier ist Hopfen und Malz
Hier ist Hopfen und Malz
... im Einsatz!
... im Einsatz!

Karpaten

Über Szeged erreichen wir Rumänien. Nachdem wir schon vorher angefragt haben, erwartet und hier erst mal ein großes Wiedersehen mit unseren Tierarzt-Freunden und deren Familie.

An allzu schnelles Weiterfahren ist danach natürlich nicht mehr zu denken. Nicht nur, weil der Großvater seine Desinfektionspflicht peinlich genau nimmt, und die innerliche Dosis seines selbstgebrannten und hochprozentigen Allheilmittels an keinem Gast vorbeigeht, sondern auch, weil die Landschaft einfach dazu einlädt, die Wälder zu durchstreifen, Berge zu erklimmen: die hohen, nur mit Gras bewachsenen Rücken reihen sich über Hunderte von Kilometern.So erklimmen wir erst den Muntele Mic (nicht ohne die gute Amy beinahe auch den Rücken zu legen wie einen altersschwachen Maikäfer…), tags darauf auch den Puntu und den Tarcu.

steinig
steinig
ohne Worte
ohne Worte
nie allein
nie allein
endlos
endlos
beinahe wär's schiefgegangen
beinahe wär's schiefgegangen
der Weg endet nie!
der Weg endet nie!


Nach der Baumgrenze liegen grüne Matten und felsige Gipfel vor unseren Augen, welch ein schöner Ausblick bietet sich uns! Rücken und Tal in froher Folge, und zwischen Traktoren und Touristen klettern wir hinauf. Zwei Fahrzeuge verlieren sich Richtung Horizont, andere kommen entgegen und berichten von ihren Jagdplänen. Wolf, Bär, Blaubeer – es ist eine wirkliche Wildnis hier draußen, der die Menschen Pilze und Heidelbeeren abtrotzen, ein bisschen Weide und viel Holz. Wir hochgerüsteten Offroadtouristen sind oftmals beschämt ob der Überlegenheit der Pferdefuhrwerke oder der einfachen Option des Laufens, das möchte ich nicht unerwähnt lassen.

Rumänien

"Kabine"
"Kabine"
Badespass und Sandtransport
Badespass und Sandtransport
Transport
Transport

Richtung Izmir


Von Caransebes nehmen wir nun direkten Kurs auf Izmir. Nachdem wir die Donau im Winter wegen der eisigen Kälte nur über die Brücke in Ruse queren konnten, wollen wir dieses Mal die Fähre von Bechat nutzen: nach einer heißen Tiefebene bildet die Donau die Grenze nach Bulgarien, wo das Ufer steiler ansteigt und wir etwas Kühlung erhoffen. Doch vor der Überquerung liegt ein Abstecher nach Baile Herkulaneum und eine Übernachtung mit Premiere: der erste Campingplatz in Rumänien! An einem kleinen Flüsschen liegt der Platz mit „Kabinen“, die an norwegischen Hüttas erinnern, kleine Kneipe, Facilities…

Das Flüsschen lädt nicht nur uns zum Baden ein. Es ist so warm, dass man stundenlang im flachen Wasser verharren kann. Natürlich nicht allein: Jugendliche und Familien mit kleinen Kindern baden, und auch ein Pferdefuhrwerk kommt, um mitten aus dem Fluss Kies für eine Baustelle zu laden.

... über die Donau

eng und effizient
eng und effizient
die Donaufähre!
die Donaufähre!
ein Schiff wird kommen
ein Schiff wird kommen
bunter Strassenmix
bunter Strassenmix
Ostblock-Gegensätze
Ostblock-Gegensätze
und bulgarische Gastfreundlichkeit
und bulgarische Gastfreundlichkeit


Nächster Morgen an der Fähre. Die Wartezeit können wir mit einem großen selbstgekochten Kaffee vertreiben, und dann naht das Ungetüm: drei Transportleichter mit einer Plattform dazwischen, zwei dicke röhrende Motoren hintendran. Das schluckt etliche LKW, deren Fahrer meist ebenso hünenhaft wie sanftmütig erscheinen, sobald sie unser Kind erblicken. Die kleinen Autos werden einfach dazwischen gequetscht, unordentlich und überzeugend effizient.
Die Donau ist ein gewaltiger Strom auf dieser Höhe, doch das ebenso gewaltige Transportungetüm bezwingt ihn zügig und mühelos.

Auf der anderen Seite angekommen erfolgt zum einen die Hafen- und Zollprozedur, zum anderen der Grenzübertritt. Übrigens wird auf beiden Seiten Hafengebühr fällig, und die Hafenbetreiber prüfen auch die Papiere recht genau. Der Rest der Prozedur ist schnell erledigt – man ist ja innerhalb der EU. Nur die Vignette für bulgarische Straßen muss sofort erworben und geklebt werden, sonst geht in Sachen Einreise gar nichts.

Bulgariens Berge

Denkmal
Denkmal
das Dach Bulgariens
das Dach Bulgariens
lauf mal
lauf mal
schau mal
schau mal


In Bulgarien geht es nun rasch bergauf, allerdings nur was die Topographie betrifft. Für den Rest werden die Auswirkungen der immensen Auswanderung gerade hier ganz offensichtlich. Seit Fall der Berliner Mauer hat Bulgarien knapp 2 Millionen der ursprünglich 9 Millionen seiner Einwohner verloren: junge Menschen auf der Suche nach einer Zukunft in greifbarer Nähe. Zurück bleibt die ältere Generation, und für manches Haus ist schon lange niemand mehr da, der es mit Leben füllt.
Dennoch finden wir in schöner Landschaft ein nettes Restaurant, wo Spezialitäten auf dem schönen bunten Tongeschirr serviert werden, und im Anschluss einen klaren kühlen Bach zum Baden. Den weiten Weg vor Augen legen wir aber noch einen Sprung zurück und durchqueren die glühendheiße Tiefebene und Plovdiv, um am Gegenhang in die Rhodopen hinaufzuklettern. Hinter Asenovgrad noch ein Stück hinauf finden wir in der touristisch erschlossenen Berglandschaft ein Hotel am Fluss, in dem wir fürstlich schlafen und ein liebevoll zubereitetes Frühstück unter den Augen des Hauspapageien einnehmen.
Die Rhodopen kannten wir schon, überqueren sie nun ein wenig weiter östlich, um dann auf kleinen Straßen nördlich von Xanthi an die Grenze zu gelangen – nicht ohne die letzten Lev in Hydrauliköl und bulgarisches Bier verwandelt zu haben. An der – innerhalb EU! – Grenze staunen wir nicht schlecht, denn es geht erst mal nichts. Mehrere Autos stehen brav und warten, der Schlagbaum bleibt geschlossen. Große Mengen von Männern mit hellblauen Hemden oder Uniformen sitzen im Schatten oder in der Cafeteria. Nur schleppend tauchen einige auf – ich gehe nach vorne, um die Lage zu erkunden. Zwei junge Typen in einem abgelebten Opel schauen mich aus dem Fenster an. „Europa?“ frage ich – „ nix Europa!“ und ein herzliches Gelächter ist die Antwort.

Bye-bye Europa!

lockend
lockend
Hotel an den Dardanellen
Hotel an den Dardanellen
lecker
lecker
Canakkale-Eceabat
Canakkale-Eceabat
über den Dächern von Izmir
über den Dächern von Izmir
eine Art Familientreffen
eine Art Familientreffen


Immerhin heißt Griechenland für uns und unser Kind erst einmal Gutes: erstens Autobahn, und zweitens Meer. Und so kommt es, dass wir an der ersten Gelegenheit am Stadtrand von Alexandroupolis an den Strand fahren, um zu essen, zu baden und auszuspannen.
Der Zielpunkt für diesen Abend ist an den Dardanellen. Nach dem Grenzübertritt in die Türkei bei Ipsala beobachten wir ein ganz anständiges Buschfeuer und fahren noch bis kurz vor Eceabat, als uns der Hinweis auf ein Hotel von der Straße lockt. Hotel, naja, das war es sicher mal gewesen. Und zu finden ist auch keiner. Klasse, denke ich mir, da kommt nasser älterer Herr in Badedress mit einem nassen jüngeren Hund im Hundedress vom direkt benachbarten Strand. Gleich, gleich, Hotel, ja, ja…
Duscht, verschwindet, kommt wieder und stellt sich als Sharif vor. Das Hotel ist gut angelegt und hat etliche Zimmer, doch Sharif hat das „zu verkaufen“-Schild bereits im Auto liegen. Letzteres springt übrigens auch nicht mehr an…

Aber Sharif ist lieb, freundlich und unendlich bemüht, was uns die heiße Nacht mit unzähligen Moskitos vergessen lässt. Unser Kind schwärmt von den vielen Schiffen in den Dardanellen und den ubiquitären Pferdebildern in Hologramm-Technik, die in diesem Hotel offenbar stilbildend ist. Wir trinken „Efes“-Bier und betrachten die Delfine, die in großer Zahl direkt an unserem Badeleiterchen kreuzen. Morgens gibt es frisches Brot und Wachteleier, und mit tausend guten Wünschen und Handschlag verabschiedet uns Sharif, um dann erst noch einmal Schlepphilfe für sein Auto zu erbitten.
Wir queren die Dardanellen und staunen nicht schlecht, wie schön die Landschaft, die wir zuletzt im Winter gesehen haben, im Sommer ist. Ein opulentes Strandresort in Kücükköy fängt uns für den Mittag ein, denn die Wahnsinnshitze lässt über Mittag eigentlich kein Fahren mehr zu. Baden, leckeres Essen und für das Kind der erste dieser leckeren Sesamkringel – so empfängt uns die Türkei. Das ist schon was anderes als der Koksdunst eines trüben Februarabends…

Solcherart gestärkt geht es auf die Zielgerade nach Izmir. Ich kann es kaum erwarten, unseren Sohn wiederzusehen, und wie versprochen schlafen wir auf der Dachterrasse – über den Dächern von Izmir und mit Blick über das Meer!

... Fortsetzung folgt!